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6. Dezember 2021

„Weltraumschrott“ am Baggersee Ungewöhnliches Raumfahrt-Experiment am Krieger Kiessee bei Stollhofen

„Weltraumschrott“ am Baggersee - Ungewöhnliches Raumfahrt-Experiment am Krieger Kiessee bei Stollhofen

Was findet sich nicht alles unter Wasser! Dinge, die wahrlich nicht versenkt gehören: beispielsweise ausgediente Fahrräder oder alte Autoreifen. Ein Phänomen, das seit jeher alle Gewässer mehr oder weniger betrifft: den Bodensee genauso wie einen Baggersee. Und jetzt auch noch Weltraumschrott? Nicht ganz. Denn was kurz vor Weihnachten auf den Kriegersee bei Stollhofen niederschwebte, war nur simulierter Weltraumschrott und Teil eines größeren Experiments, welches Raumfahrt letztlich nachhaltiger machen soll. Auf jeden Fall war es jedoch ein Beispiel für gelungene Nachbarschaftshilfe zwischen einem Rohstoff- und einem Raumfahrtunternehmen.

Bernd Köllreutter, Technischer Leiter beim KiWi-Mitgliedsunternehmen Heinrich Krieger KG, nahm im November ein besonderes Telefongespräch an. Sebastian Klaus, Gründer und Chef der Klaus Space Transportation GmbH, äußerte eine ungewöhnliche Bitte: „Wir suchten für unseren ersten größeren Fall-Test eine geeignete Wasserfläche, und zwar in Nachbarschaft zum Baden-Airpark. Wir wollten den Abwurf und die sanfte Landung einer ausgebrannten Raketenstufe simulieren. Große deutsche Raumfahrt-Unternehmen führen solche Versuche üblicherweise in der Nordsee durch. Wir jedoch sind ein junges Startup mit begrenztem Budget.“ Deshalb habe man erst einmal in der Nachbarschaft nach einem geeigneten Gewässer gesucht.

Diese Suche gestaltete sich relativ kurz, denn nur wenige Kilometer von Baden-Airpark entfernt liegt der Kriegersee: ausreichend groß, gesichert und zudem noch in der Kontrollzone des Flugplatzes Karlsruhe/Baden-Baden. „Das hat die ganze Sache genehmigungstechnisch enorm erleichtert“, erklärt Klaus. „Was wir brauchten, war letztlich noch das Einverständnis der Heinrich Krieger KG.“

Diese bekam das junge Raumfahrtunternehmen recht schnell. Nach Rücksprache mit seinem Chef Michael Krieger konnte Bernd Köllreutter von Unternehmensseite aus grünes Licht geben.

Und so startete Anfang Dezember eine viersitzige Robinson R44. An Bord des Helikopters führten die Startup-Mitarbeiter das Modell einer Raketenstufe im Maßstab 1:10 mit. Aus 600 m Höhe über dem Kriegersee warfen sie den weißen Zylinder ab. Innerhalb kürzester Zeit entfaltete sich eine Schutzhülle und legte sich nach wenigen Sekunden ballonförmig um den Tubus.

Sebastian Klaus erläutert das Prinzip: „Es handelt sich um einen aufblasbaren ‚Decelerator‘, also Verzögerer. Dieser ist kein Fallschirm, sondern eine Schutzhülle, welche sich aufbläst und um die Raketenstufe legt, sie beim Abstieg gegen Reibungshitze schützt und ihren Fall verzögert. Das Besondere: Diese Schutzhülle wird nicht durch Pressluft oder Gas aufgeblasen, sondern durch die Umgebungsluft, welche Hochtemperaturfans ansaugen und einpumpen. Das ist neu und hochinnovativ.“

Dass dieses Prinzip funktioniert, bewiesen die Raumfahrttechniker vor laufenden Kameras. Das Modell der Raketenstufe wasserte mit geringer Geschwindigkeit unbeschädigt auf dem Kriegersee. Klaus: „Der Bedarf an Raketen und Raumfahrzeugen wird in Zukunft deutlich zunehmen. Doch bislang sind Raketen Wegwerfprodukte. Das ist weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Man kann die ausgebrannten Stufen mit ihren teuren und empfindlichen Triebwerken durchaus wiederverwenden. Wir wollen mit unserer Technik dafür sorgen, dass sie heil wieder unten ankommen. ‚Weltraumschrott‘? Von wegen!“

Unternehmenschef Michael Krieger jedenfalls hat diese Philosophie sofort überzeugt: „Nachhaltigkeit, Recycling und Regionalität - das sind auch Prinzipien, denen wir uns als Rohstoffunternehmen und als Mitglied der Initiative ‚KiWi - Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein‘ verpflichtet fühlen. Deshalb war es gar keine Frage, unseren Nachbarn zu helfen und den Kriegersee zur Verfügung zu stellen.“

Eigentlich, so erläutert Sebastian Klaus, habe man am Kriegersee noch ein zweites Experiment im Januar durchführen wollen. Nachdem der erste Versuch aber so gute Ergebnisse gezeigt hat, sei dies mit einem kleinen Modell nun verzichtbar. Jetzt wolle man es mit einem deutlich größeren versuchen. Doch dafür, so sagt der Startup-Gründer, gehe man dann doch lieber an die Nordsee.

https://www.youtube.com/watch?v=EEPTuR60-Ok